Forschungsinfrastrukturen - Ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion der Forschungsstrategie 2020
Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien der beiden letzten Jahrzehnte hat nicht nur völlig neue qualitative Dimensionen des Zugangs zu Informationen aller Art mit sich gebracht, sie eröffnet, wenigstens potentiell, eine weltweite Demokratisierung der Wissens- und Kulturverbreitung in einem quantitativ bisher unbekannten Ausmaß.
Gegenüber dem zügigen Ausbau der Kommunikationskanäle der Anfangsphase bleibt jedoch die tatsächliche Verfügbarkeit digitalisierter Wissens- und Kulturinhalte sowie von Forschungsergebnissen, insbesondere in Bereich der Geistes- Sozial- und Kulturwissenschaften wesentlich zurück. Die Europäische Kommission hat zwar eine Unzahl innovativer Projekte gefördert, deren Ergebnisse aber oft mangels einer kritischen Masse an digital verfügbaren Beständen praktisch wenig ausgenützt werden. Daran ändert auch die European Digital Library (Europeana) wenig, weil sie zwar ein gemeinsames Portal insbesondere für publizierte Materialien schafft, die systematische Aufbereitung des Wissens- und Kulturerbes sowie die Organisation der Verfügbarkeit von aktuellen Forschungsergebnissen, Datenbanken, etc. den Mitgliedsstaaten überlässt. In Österreich wurden erste Konzepte aus dem Jahr 1999 verworfen, neue sind (mit Verzögerung) erst jetzt in Ausarbeitung. Im Siebenten Rahmenprogramm werden nun erhebliche Mittel zur Förderung von Forschungs-Infrastrukturen zur Verfügung stehen, die eine bessere Balance zwischen entwickelten Access-Tools und verfügbaren Beständen herstellen könnten. Eine komplementäre nationale Initiative zur Stärkung dieser Form von Forschungsinfrastrukturen wäre daher in die Forschungsstrategie 2020 aufzunehmen.
Wissenschaft ist ein kumulativer Prozess, dessen Expansionspotential durch
die digitale Verfügbarkeit des bisher Erarbeiteten ungemein gesteigert wird, das aber ein Potential bleibt, wenn nicht massive infrastrukturelle Maßnahmen den Pool der verfügbaren Daten speisen, und zwar systematisch und nicht zufällig und lückenhaft, wie dies derzeit noch geschieht. Es muss einerseits gezielt verhindert werden, dass mangels modernen Zugangs traditionelle Wissens- und Kulturinhalte dem Vergessen, gleichsam einer unabsichtlichen Kulturrevolution, anheimfallen, dass andrerseits - von
wenigen Disziplinen abgesehen - die systematische Organisation von
wissenschaftlichen Rohdaten und Datenbanken ("Halbfertigprodukten") zur
langfristigen Nachnutzung ein kaum berührtes Feld bleibt.
Der Grund dieser unbefriedigenden Situation liegt in der verbreiteten
Fehleinschätzung, die Institutionen - Museen, Archive, Bibliotheken,
könnten die ihre bisherige Tätigkeit unter Fortschreibung bisheriger
budgetäre Größenordnungen aus den Ordinarien bestreiten bzw. die Speisung
digitaler Pools über Projektfinanzierung bewerkstelligen. Weitgehend
unverstanden sind überdies noch die logistischen und finanziellen
Herausforderungen der digitalen Langzeit-Bewahrung, die auf die Erhalter von Repositorien zukommen. Ein weiterer Grund ergibt sich aus dem Umstand, dass Wissenschaftler in ihrem Innovationsdrang zur einer unmittelbaren Maximierung ihres Outputs neigen, während sie geneigt sind, infrastrukturelle Maßnahmen, die nur mittelbar und langfristig wirksam werden, zurückzustellen. Hier ist die fördernde Hand gefordert, einen Teil der Wissenschaftsmittel nicht dem unmittelbaren "Verzehr" preiszugeben sondern sozusagen als wissenschaftliches Saatgut zu widmen.
Konkret sollte die Forschungsstrategie 2020 folgende Punkte enthalten:
* Einmahnung der Erstellung eines nationalen Planes zur
Digitalisierung des
nationalen Wissens- und Kulturerbes
* Förderung der Sicherung ausgewählter wissenschaftlicher
Quellenbestände, insbesondere von Daten, die seinerzeit im Zuge von
Projektförderungen (z.B. FWF) erhoben wurden.
* Verpflichtung von Projektanten seitens der Forschungsförderung zur
Hinterlegung von Rohdaten in entsprechenden Repositorien bei gleichzeitiger Gewährung eines Prozentsatzes der Projektsumme als Beitrag zur Datensicherung
* Verpflichtung zur Gewährung des freien Zugangs zu diesen Daten nach Ablauf einer angemessenen Schutzfrist ("öffentlicher Zugang zu öffentlich geforderten Forschungsergebnissen").
* Empfehlung zur nachhaltigen Stärkung von Forschungsinfrastrukturen
zur Organisation solcher Repositorien
* Förderung von Forschungsprojekten zur Bewahrung von Dokumenten und
Kultur- (Kunst-) Objekten (preservation research).