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In wissensbasierten Ökonomien hängt die Zukunft eines Standorts vom Qualifikationsniveau der Erwerbstätigen ab. Um sein Wohlstandsniveau zu halten und auszubauen braucht der Standort Österreich daher mehr besser qualifizierte Arbeitskräfte. Die Anforderungen steigen: Auf globalisierten Märkten wächst die Konkurrenz jener Länder, die im mittleren Technologiesegment unter deutlich günstigeren Kostenverhältnissen anbieten können. Dies gilt insbesondere auch für die Länder in unmittelbarer Nachbarschaft.. Österreichs strategische Antwort muss daher der Spurwechsel von der Gruppe der „technology-followers“ zu den „frontrunners“ mit Produktionsstrukturen an der technologischen Grenze und mit hochentwickelter Produktivität sein. Diese Strategie impliziert eine stetig steigende Nachfrage nach höheren Qualifikationen. Dies gilt umso mehr als die demografische Entwicklung die Relation zwischen den aktiv Erwerbstätigen und den Personen im Ruhestand zunehmend verschiebt. Nur eine ständig steigende Produktivität kann diese aufgehende Schere wieder schließen.

Kommentare

dr. gerald.kainz says:

kostengünstiger produzieren und anbieten

Globalisierung braucht neue, für alle verbindliche Spielregeln:

Wenn die deutlich günstigeren Kostenverhältnisse aus rücksichtsloser und vorsätzlicher Umweltzerstörung sowie menschenverachtenden Produktionsbedingungen resultieren, dann kann die strategische Antwort der gesellschaftlich höher entwickelten Volkswirtschaften nicht allein im Spurwechsel vom "technology-follower" zum "frontrunner" liegen.

Hier liegt ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung vor, der durch Missachtung von Umwelt- und Sozialstandards verursacht wird. Diese Art der Kostenvermeidung (Ausgaben für Umweltauflagen, Sozialabgaben, Krankenversicherung, Pensionssysteme, Steuern für Infrastruktur und Bildung etc) muss durch international verbindliche Regeln und entsprechende Sanktionen bei Regelverstößen bekämpft und beseitigt werden.

Sozialdumping ist nämlich nicht nur im "technology-follower" Bereich möglich, sondern wird auch im "frontrunner" Sektor eintreten. Chinesische oder indische Facharbeiter/Ingenieure sind nicht schlechter qualifiziert, sie sind nur schlechter bezahlt und daher läßt sich mit ihnen allemal kostengünstiger produzieren und anbieten.

Die Flucht nach Vorne in höhere Qualifikation bringt meines Erachtens nicht einmal mittelfristig eine Verschnaufspause im ungleichen Wettbewerb - den wir unter heutigen Bedingungen ohnehin nie gewinnen können.

peppino4 says:

Produktivität worin?

Es kann nicht mehr nur um irgendeine Produktivitätssteigerung gehen, sondern es muss eine sein, die nicht mehr auf Kosten der natürlichen Ressourcen geht (diese Kosten müssen auch einberechnet werden, die Kosten für die Wiederhetrstellung von verbrauchten Ressourcen...). Dass der Klimawandel den Menschen voriges Jahr endlich einschneidender in seinen verheerenden ökonomischen Auswirkungen bewusst geworden ist, hat gewiss auch zur Krise der Autonmobilindustrie beigetragen, und hat ja im Sinne des Klimas ja durchaus auch gute Seiten; diesen Umständen sollte m.E. durch eine differenziertere Rede von Produktivitätssteigerung Rechnung getragen werden, wenn wir uns nicht weiter in dem zutiefst krisenanfälligen Widerspruch (oder double bind) zwischen Wachstum und nachhaltiger Entwicklung versticken wollen.

Dr. Gerhard Posch says:

Status&Herausforderung

Ausbildungsniveau ist eine wesentliche Säule - ein fast wichtigerer Bereich liegt aber in der Motivation der Menschen. Ein sehr gut ausbildeter, allerdings demotivierter Akademiker wird nur einen sehr geringen Beitrag zu den angesprochenen Zielen bringen.
Grundsätzlich sollten Menschen entsprechend Ihren Fähigkeiten und Interessen weitergebildet werden - nur eine Erhöhung der Akademikerrate wird nicht aussreichend sein.

die unbequeme Stimme says:

wir sollen ständig immer mehr produktiv sein?

Zitat:
"Dies gilt umso mehr als die demografische Entwicklung die Relation zwischen den aktiv Erwerbstätigen und den Personen im Ruhestand zunehmend verschiebt. Nur eine ständig steigende Produktivität kann diese aufgehende Schere wieder schließen."

Warum "nur ständig steigende Produktivität"?

- auch verstärkte Zuwanderung kann helfen, die Schere schließen

- auch Änderungen in den Pensionsaltersregelungen UND Eingriff in bestehende Pensionen kann helfen, die Schere zu schließen

- etwas weniger radikal, die Älteren soll die Möglichkeit gegeben werden, aktiv weiterzuwirken, wenn auch unter anderen Rahmenbedingungen, viele wollen es ja auch (hierbei ein Beispiel: ein Professor mußte bei Pensionsantrittsalter aus seinem Zimmer, auch die Lehrveranstaltungen hält jetzt wer anderer. Er sitzt nun gemeinsam mit Dissertanten in einem Mehrpersonenarbeitszimmer und hat endlich Zeit für so viele Dinge in der Forschung und kann mit den jungen Leuten mitleben und sie mitbetreuen - wenn man ihn heute fragt: er will mit der herkömmlichen Auffassung von "Pension = nichts mehr arbeiten" nichts zu tun haben)

- abgesehen von den genannen zusätzlichen Einflußfaktoren sollte es gerade in Zeiten einer "Krise" legitim sein, auch darüber nachzudenken, ob ständiges Wachstum und ständige Produktivität wirklich die richtigen Ziele sind.

j.jaeger says:

Es geht nicht nur um

Es geht nicht nur um Wohlstand (materiell), sondern Wohlbefinden und Lebensqualität (auch immateriell)

wa says:

Status und Herausforderungen

Ergänzend sollte nicht nur die Ausbildung junger Menschen sondern auch Ideen zum "Lebenslangen Lernen" mit aufgenommen werden. Die Integration älterer Arbeitnehmer auch in den Innovationsprozess kann dabei auch aus rein wirtschaftlicher Sicht eine größere Bedeutung erhalten als bisher. Dieser Aspekt fehlt im ganzen Kapital.

Thomas Lindenthal says:

Qualifikationsniveau

Doch neben der klassischen Sichtweise von „human capital“ und seiner wissensbasierten Dimension („bessere Qualifikation“) als Voraussetzung für Spitzenforschung, ist es zwingend erforderlich, die psychosoziale Dimensionen des Menschen in die Betrachtung mit einzubeziehen. Hierher gehören psychisches Wohlbefinden, Stärkung von Interessen, Motivation und soziale Kompetenzen (u.a. Qualifikationen / Fähigkeiten zu Kooperation und Konfliktbewältigung), individueller Freiraum aber auch der Umgang mit Sicherheitsbedürfnis und individuellen sowie kollektiven Ängsten. Auch die Sicherung des sozialen Friedens ist ein wichtiges Forschungsfeld an sich. Diese Bereiche sind eindeutig nicht grundlagenwissenschaftlicher oder technologischer Art und auch nicht nur rein bildungswissenschaftlicher Art. Sie bilden wie die ökologischen und ökonomischen Aspekte der Nachhaltigkeit die Voraussetzungen für überhaupt zukunftsfähige Entwicklung. Ein Strategiepapier für Forschung der Zukunft müsste diese psycho-sozialen Bereiche unbedingt enthalten!