Strategie 2020 - Forschung, Technologie und Innovation für Österreich / 6. Schwerpunkte

6. Schwerpunkte

Status und Herausforderungen

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Die Bedeutung von Schwerpunktsetzungen in der FTI-Politik nimmt weltweit zu. Auf nationalstaatlicher Ebene sind Länder wie die USA, Frankreich oder Japan Vorreiter bei Schwerpunktsetzungen und in der missionsorientierten FTI-Politik. Doch auch in der EU gibt es entsprechende Aktivitäten. So hat das European Research Advisory Board (EURAB) in Zusammenhang mit der Konzeption des 7. EU-Rahmenprogramms empfohlen, Schwerpunktthemen auf Basis missionsorientierter strategischer Forschungsaktivitäten wie den Joint Technology Initiatives stärker zu fokussieren. Die EU-Kommission sieht es als unerlässlich an, von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam ermittelte thematische Schwerpunkte zu identifizieren und in der Praxis zu entwickeln.

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Schwerpunkte zu identifizieren heißt aber, sich im Spannungsfeld zwischen den Vorteilen der Spezialisierung und jenen eines breit diversifizierten Forschungs- und Technologieportfolios zu bewegen. Demenstprechend ist man in allen hoch entwickelten Ländern auf der Suche nach der richtigen Mischung aus themenoffenen und thematisch orientierten Instrumenten und Programmen. Schwerpunktsetzungen werden dabei üblicherweise mit den folgenden Argumenten motiviert:

  • Science push - die Nutzung neuer wissenschaftlich-technologischer Entwicklungen/Paradigmen
  • Demand pull - die Sicherstellung der Präsenz auf erwarteten Zukunftsmärkten Klassische Missionsorientierung - die Konzentration auf industriepolitisch zentrale Sektoren
  • Neue Missionsorientierung - die Erarbeitung von Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen und Chancen
  • Technologiediffusion - der Anschluss an internationale wirtschaftlich-technologische Entwicklungen
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Die inhaltliche Festlegung von Forschungsschwerpunkten konzentriert sich also nicht mehr ausschließlich auf spezifische Technologiefelder oder auf Beiträge zu ökonomischen Herausforderungen, sondern zunehmend auch auf die Lösung gesellschaftlicher Problemfelder.

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Im internationalen Kontext basieren thematische Fokussierung und Schwerpunktsetzungen stark auf systematischen Herangehensweisen, wie Foresight-Aktivitäten und Technologieprognosen. Die Problematik der Prognose wissenschaftlich-technischer Entwicklungen ist jedoch, dass Wissenschaft und Technik komplexe, schlecht modellierbare Objektbereiche sind. Es gibt keine fundierte Methodik zu ihrer Prognose, sondern eine Vielzahl von Methoden und Prognosetechniken, in denen zunehmend auch partizipative Elemente Eingang finden.

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Kleine Länder – k(l)eine Schwerpunkte?

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Eine systematische Schwerpunktsetzung muss gerade in kleinen Ländern die FTI-Landschaft dort stärken, wo bereits vorhandene Stärken einen außerordentlichen wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Output erwarten lassen und damit die Stellung Österreichs im internationalen Wettbewerb deutlich verbessert werden kann. Ebenso sollen auch dort FTI-Aktivitäten stimuliert werden, wo wichtige gesellschaftliche Fragestellungen fokussiert angegangen werden müssen. Nur eine Fokussierung auf wenige ausgewählte „wissenschaftlich-technologische“ und „gesellschaftlich-missionsorientierte“ Schwerpunkte und deren breite Unterstützung in allen Sektoren des FTI-Systems - und darüber hinaus – kann für ein kleines Land einen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Erfolg im internationalen Maßstab sicherstellen.

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Bei der österreichischen Praxis der Identifikation von Schwerpunktthemen sowie der Erarbeitung und Etablierung entsprechender thematischer Programme besteht Verbesserungsbedarf. Die Festlegung von Forschungsschwerpunkten und die Konzeption thematischer Programme erfolgt in Österreich nach wie vor nur teilweise auf Basis systematischer Studien und strategischer Analysen.

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Dieses Defizit kann im Rahmen des Strategieprozesses nicht beseitig werden. Mit der Strategie 2020 legt der Rat, basierend auf den bereits 2004 empfohlenen Schwerpunktthemen und Zukunftsfeldern, aber die Basis für eine zukünftige Schwerpunktsetzung für die österreichische Forschungslandschaft. Mithilfe eines Kriterienkatalogs und einer umfangreichen Analyse (Trendanalyse anhand internationaler Technologieprognosen , Identifikation nationaler Stärkefelder , Ergebnisse nationaler und internationaler Foresight-Aktivitäten , Analyse der langfristigen Bedeutung eines Bereichs für Staat, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft ) wurden diese Schwerpunkte einer neuerlichen Bewertung unterzogen und an die aktuellen Rahmenbedingungen angepasst.

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Das Ergebnis dieses Prozesses sind Schwerpunktthemen, die sowohl im internationalen Kontext als auch innerhalb der nationalen FTI-Landschaft aktuelle Stärkefelder darstellen und erhebliche Zukunftspotenziale aufweisen (siehe Abbildung 8).

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Abbildung 8: Schwerpunktthemen und Zukunftsfelder

Quelle: RFT

Hier können Sie Abbildung 8 in einer höheren Auflösung öffnen.

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Das Gewicht liegt auf applikations- bzw. missionsorientierten Themen. Dabei handelt es sich sowohl um „wissenschaftlich-technologische“ (wie etwa bei Life Sciences, IKT, GSK, Nano und Material), also „klassisch missionsorientierte“ Schwerpunkte, als auch um „gesellschaftlich-missionsorientierte“ Schwerpunkte (wie etwa bei Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit oder bei Mobilität und Verkehr). Für IKT- und Life Sciences wurden bereits Detail-Strategien ausgearbeitet, im Bereich der Energieforschung erscheint die Ausarbeitung als besonders dringlich. Daher sind diese Schwerpunktthemen in Abbildung 8 zentral dargestellt. In den anderen Schwerpunktthemen bedarf es noch weiterer Analysen, um deren Potential für die Entwicklung von Detail-Strategien auszuloten. Daher ist momentan eine weitere Priorisierung nicht möglich.

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Bei der Interpretation der Abbildung 8 sind folgende Punkte zu beachten:

  • Die Einstufung als Basistechnologie ist bei der Auswahl von Schwerpunktthemen von untergeordneter Bedeutung. So wurde z.B. IKT nicht wegen seiner Bedeutung als Basistechnologie ausgewählt, sondern weil Österreich gute Chancen hat, in die Gruppe der besten drei europäischen IKT-Nationen und damit an die Weltspitze vorzustoßen.
  • Es ist anzunehmen, dass der hohe Forschungsaufwand in Manufacturing, Produktions- und Prozessmanagement ein Erfolgsfaktor der typisch österreichischen Industriestruktur mit wenigen großen Leitbetrieben und weit verzweigten, zum Teil aber hochspezialisierten KMUs darstellt. Der Rat hat hier weitergehende Untersuchungen beauftragt, die als Grundlage für die Entscheidung zur Ausarbeitung einer umfassenden Strategie für dieses Schwerpunktthema dienen sollen.
  • Ein wesentlicher Punkt der gesellschaftlichen Missionsorientierung ist auch das Potenzial Arbeitsplätze nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Produktion von high-tech und medium high-tech Gütern zu schaffen.
  • Bei den Themen Services und Agri-Food-Research and -Industry war eine klare Evidenz der nationalen Stärke, auch aufgrund der verfügbaren Datenlage, nicht unmittelbar ersichtlich. Der Rat hält die Themen jedoch für so zukunftsweisend bzw. gesellschaftlich relevant, dass auch hier eine weitere Evaluierung vorangetrieben werden sollte.
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Schließlich hat der Rat im Frühjahr 2008 eine eigene Erhebung der Budgets der für Forschung zuständigen Ressorts, der Förderorganisationen, der Universitäten und der Wirtschaft durchgeführt, um einen groben Überblick über die thematische Verteilung von F&E-Aufwendungen in Österreich zu erhalten (Abb. 9, 10).

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Abbildung 9: Verteilung der F&E-Mittel der Unternehmen auf Schwerpunktthemen

 

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis Statistik Austria 2006 (ges. F&E-Ausgaben 2006: 4.449 Mrd. Euro) und Unternehmensabfrage des RFTE

Hier können Sie eine hochauflösende Version von Abbildung 9 öffnen.

Abbildung 10: Verteilung von unternehmensbezogenen Fördermitteln von ARC, AWS, CDG und FFG in 2007 auf Schwerpunktthemen, in Mio. EUR (Redaktioneller Hinweis: In dieser Aufstellung sind die grundlagenforschungs-relevanten Agenturen nicht einbezogen)

Quelle: RFTE-Abfrage bei Förderagenturen, April 2008.

Hier können Sie eine höchauflösende Version von Abbildung 9 öffnen.


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Aus Abbildung 10 ist ersichtlich, dass die Mittel sehr unterschiedlich auf die Schwerpunkte verteilt sind. Eine Beurteilung, ob diese ausreichend sind, ist nur möglich, wenn man in einer Gesamtbetrachtung die in einem Schwerpunkt angestrebten Ziele und die gesetzten Maßnahmen bewertet. Weil man in Österreich aber keinen systematischen Zugang zu Schwerpunktsetzung und -management pflegt, beginnt und endet die Schwerpunktbildung meistens in einem Förderprogramm. Konzepte, die die für eine effiziente und effektive Schwerpunktsetzung notwendigen „Begleitmaßnahmen“ (im Bildungssektor, bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen, in der Regulierung, Standardisierung, Beschaffung etc. – vgl. Strategieelement „Instrumente“) berücksichtigen, werden nicht im notwendigen Umfang erarbeitet.

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Besondere Bedeutung kommt dies der Konzeptionierung von Schwerpunkten im Sinne der neuen Missionsorientierung zu. Diese haben aus Sicht des Rates besonderes Gewicht, weil sie sowohl einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme leisten, als auch die wirtschaftliche Position der in diesem Bereich tätigen Unternehmen stärken. Technischer Fortschritt und Innovation können zwar wesentliche Beiträge zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen liefern; diese entfalten ihre Wirkungen aber nur, wenn das gesamte Repertoire an Politikmaßnahmen koordiniert zum Einsatz gebracht wird. Ansonsten diffundieren die erarbeiteten Lösungen nur langsam und das gesellschaftliche und ökonomische Potenzial wird nicht ausgeschöpft.

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Ein erster Schritt in diese Richtung wären Überlegungen zum grundsätzlichen Verhältnis – in monetären Einheiten – von Top-Down zu Bottom-Up Aktivitäten, die sicherstellen, dass letztere ausreichend Raum für zukunftsorientierte, risikoreichere Forschungsprojekte bieten. Die Fokussierung auf Schwerpunktthemen darf ein breites und themenoffenes Fundament nicht einengen, das die Basis für alle wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen darstellt.

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Diese Forderung setzt eine ministeriumsübergreifende Koordination und Zusammenarbeit bei der Schwerpunktbildung voraus, damit Managementstrukturen entwickelt werden können, die sowohl über die unmittelbare Zuständigkeit der FTI-Ministerien als auch über die dominierende Programmlogik hinausreichen. Nur wenn diese Schritte gesetzt werden, kann es auch zu einem effizienten Prozess kommen. Voraussetzung dafür sind Detail-Strategien für die jeweiligen Schwerpunkte. Der Rat hat hier bereits für den IKT-Sektor (Oktober 2008) und die Life Sciences (2005) Detailstrategien vorgelegt.

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Strategische Leitlinien und Empfehlungen

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Auf Basis der Analyse und der aktuellen Herausforderungen in der Entwicklung einer systematischen Praxis der Identifikation von Schwerpunktthemen identifiziert der Rat die folgende strategische Leitlnie und formuliert dazu seine Empfehlungen.

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SL 9 Strategische Leitlinie: Ressort-übergreifend Schwerpunkte entwickeln

Schwerpunktsetzungen sollen vorhandene Stärken forcieren und zu einem Alleinstellungsmerkmal Österreichs führen. Vorzugsweise handelt es sich um eine Verstärkung bestehender FTI-Aktivitäten, die sich aus dem FTI-System heraus entwickeln (= wissenschaftlich-technologische Schwerpunkte). Darüber hinausgehend können Schwerpunkte im Sinne einer Missionsorientierung verstanden werden, die im Kontext konkreter Themenbereiche von gesellschaftspolitischer Relevanz gezielte FTI-Aktivitäten stimulieren (= gesellschaftlich-missionsorientierte Schwerpunkte)..

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Der Rat empfiehlt:

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Empfehlung 9.1

Analog zu den IKT-und Life Sciences Strategien des Rates sollen vorerst weitere Detail-Strategien für die in Abbildung 8 aufgelisteten Schwerpunktthemen und Schlüsseltechnologien ausgearbeitet werden. Vor allem im Bereich der Energieforschung erscheint die Ausarbeitung einer übergreifenden Strategie unter Einbeziehung aller Akteure und Programme dringlich.

> 2010

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Empfehlung 9.2

Bei der Etablierung thematischer Programme ist eine Schwerpunkt- bzw. Nischenstrategie zu verfolgen. Eine Orientierung an internationalen Massenmärkten erscheint für Österreich wenig zielführend. Viel mehr ist eine Fokussierung auf Spezialmärkte und -wissensgebiete anzustreben, in denen unter Ausnützung der österreichischen Stärken eine internationale Spitzenstellung erreichbar ist.

> 2010

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Monitoring: Der Rat bringt sich aktiv in die weitere Evaluierung der Themen ein und unterstützt die gemeinsame Schwerpunktsetzung sowie die Strategieentwicklung durch die beteiligten Ressorts. Der Rat aktualisiert die Abbildung 9 regelmäßig mit dem Status der Evaluierungen und der Strategieentwicklung und stellt diese der Bundesregierung als Entscheidungsgrundlage für thematische Schwerpunktsetzungen zur Verfügung.

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Empfehlung 9.3

Thematische Förderprogramme sollen auf wenige, breit angelegte wissenschaftlich-technologische und gesellschaftlich-missionsorientierte Forschungsschwerpunkte fokussiert werden. Diese sollen immer die gesamte FTI-Landschaft sowie alle angrenzenden Gebiete (z.B. Bildung, internationale Beziehungen, aber auch Steuergesetzgebung oder Beschaffung) umfassen und somit die sektoralen Aktivitäten aller Ressorts einschließen.

> 2010

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Empfehlung 9.4

Für jedes Schwerpunktthema ist ein ressortübergreifendes Programm-Management – kontrolliert durch eine Steuerungsgruppe aus allen involvierten Ressorts – zu installieren.

> 2010

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Monitoring: Der Rat definiert gemeinsam mit der Steuerungsgruppe quantitative „Key-Performance-Indikatoren“ für das Programm und ermittelt mit dem Programm-Management periodisch die erreichten Werte.

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Empfehlung 9.5

Für thematische Programme ist ein maximaler Anteil am Förderbudget festzulegen. Dabei sollte nach Maßgabe der Ergebnisse der Systemevaluierung ein angemessenes Verhältnis von themenoffener und themenorientierter Förderung beibehalten werden.

> 2013

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Empfehlung 9.6

Parallel dazu gilt es, eine systematische und kontinuierliche Vorgangsweise für nationale Foresight-Aktivitäten und Technologieprognosen zur Evaluierung bestehender und Identifikation neuer Schwerpunktthemen zu entwickeln. Dafür sollte auf bestehende Gremien unter Einbindung nationaler und internationaler ExpertInnen zurückgegriffen werden. Gegebenenfalls sind partizipative Ansätze zu berücksichtigen.

>2013

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Empfehlung 9.7

Schwerpunktsetzungen sollen auch auf europäische Forschungsschwerpunkte reagieren. Nationale thematische Programme müssen auch im Sinne eines Empowerments für in Österreich tätige ForscherInnen zur Stärkung der Beteiligung an entsprechenden EU-Forschungsrahmenprogrammen verstanden und konzipiert werden.

> 2013

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Monitoring: Weiteres Monitoring der erfolgreichen Beteiligung von in Österreich tätigen ForscherInnen in EU-Forschungsrahmenprogrammen im Rahmen von Proviso.

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