Strategie 2020 - Forschung, Technologie und Innovation für Österreich / 1. Agenda

1. Die Agenda

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen

1

Forschung, Technologie und Innovation verändern das Leben jedes einzelnen ohne dass sich das Wissen über die in diesen Bereichen ablaufenden Prozesse und Entwicklungen mit der gleichen Vehemenz verbreitet hätte. Diese Bereiche sind für weite Teile der Bevölkerung „black boxes“, und es ist keineswegs für alle BürgerInnen einsichtig, warum man hier massiv investieren sollte.

(1) - Original
Attachments
Comments
2

Die Ratsversammlung sowie die meisten namhaften ExpertInnen sind von den grundsätzlich positiven Wirkungen von Forschung, Technologie und Innovation überzeugt, wenn sie mit entsprechendem Ethos und kritischer Reflexion entwickelt, öffentlich diskutiert und eingesetzt werden (vgl. Strategieelement FTI und Gesellschaft). Vor allem die Wirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit – und damit auf Wachstum und Beschäftigung – und der Beitrag zur Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen (Klimawandel, Rohstoffknappheit, alternde Bevölkerung etc.) werden als wesentlich empfunden. Während der erste Punkt zur Standardargumentation für Investitionen in diesem Bereich gezählt wird (vgl. Strategieelement FTI-Mittel Input / Output), ist der Lösungsbeitrag von Forschung und Innovation für die anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen kaum systematisch ausgeschöpft worden. Hier liegt – ohne dass der Eindruck erweckt werden soll, dass technologische Neuerungen alleine die anstehenden Probleme lösen können - noch großes Potential, das allerdings nur mit einem holistischen Politikansatz entwickelt werden kann (vgl. Strategieelement Governance).

(1) - Original
Attachments
Comments

Verbesserungen auf breiter Front mit nachhaltigen Schwachstellen

 

3

Seit 2000 zählt Österreich zu jenen Ländern in der EU, die sich am dynamischsten entwickeln. Dieser beispielhafte Aufholprozess, den das österreichische FTI-System in den letzten Jahren durchlaufen hat, wird durch zahlreiche internationale Vergleiche belegt. So weist etwa der zusammenfassende Summary Innovation Index (SII) des Europäischen Innovationsanzeigers 2008 [European Innovation Scoreboard (EIS)] Österreich den 6. Platz im Ranking der EU-27 zu. Damit befindet sich Österreich im internationalen Vergleich mit Ländern wie Frankreich, Irland, Belgien und den Niederlanden unter den „Innovation Followers“, also der Gruppe hinter den führenden Innovationsnationen („Innovation Leaders“). In 13 der 25 Indikatoren des SII liegt Österreich sogar über dem EU-Schnitt.

(1) - Original
Attachments
Comments
4

Vor allem die Dynamik der Innovationsentwicklung ist in Österreich in Relation zu den Wettbewerbern in den Gruppen der „Innovation Followers“ und der „Innovation Leaders“ überdurchschnittlich: Österreich ist heute nach Irland das Land mit der größten Entwicklungsdynamik. Heute gehört Österreich zu jenen Ländern in der EU, die eine realistische Chance haben, die im Barcelona bzw. Lissabon-Prozess vorgegebenen Zielmarken auf nationaler Ebene zu erreichen. Im Bereich der Forschungsquote hat Österreich den EU-Durchschnitt bereits in den letzten Jahren deutlich übertroffen. 2008 lag diese bei 2,63% des BIP und damit im EU-Vergleich hinter Schweden, Finnland, Deutschland und Dänemark an fünfter Stelle.

(1) - Original
Attachments
Comments

Abbildung 1: Entwicklungsdynamik der F&E-Quote im internationalen Vergleich

 

Quelle: OECD, Main Science and Technology Indicators, 2008.

Hier können die eine hochauflösende Version von Abbildung 1 öffnen.

5

Die deutlichsten Rückstände weist Österreich in den Kategorien Humankapital, Verfügbarkeit von Risikokapital und radikalen Innovationen (Umsatzanteil mit Marktneuheiten) auf. Diese Rückstände sind schon länger bekannt – ein im europäischen Vergleich signifikanter Aufholprozess ist allerdings nicht zu beobachten. Diese Entwicklung weisen darauf hin, dass genau jene Faktoren, die für den Sprung an die technologische Spitze wichtig sind (Risikokapital, Humankapital, radikale Innovationen) in Österreich noch nicht ausreichend etabliert sind.

(1) - Original
Attachments
Comments

Innovation Follower oder Innovation Leader?

6

Eine Schieflage zwischen Innovationsinput und -output ist nur ein Hinweis auf die wohl größte Herausforderung die Österreich zu bewältigen hat: den Schritt vom „Innovation Follower“ zum „Innovation Leader“ oder von einem Land in einem Aufholprozess zu einem Land, das nahe der technologischen Grenze produziert, also ein „Frontrunner“ ist. Dieser Entwicklungsschritt steht schon lange an: Bereits im Expertenentwurf für ein Technologiepolitisches Konzept der Bundesregierung im Jahr 1996 wurde festgehalten, dass die Erträge einer imitativen Strategie – die einem Innovation Follower bzw. einem Land in der Aufholphase entsprechen – weitgehend ausgeschöpft sind. Die Änderungen seither und auch die starken Anstrengungen zur Erreichung des 3%-Ziels haben die Strukturen in Österreich nicht ausreichend verändert, sodass die Aufgabe eines grundlegenden Wandels in der Ausrichtung der Forschungs-, Technologie-, Innovations- und Bildungspolitik bleibt (vgl. Strategieelement Governance).

(1) - Original
Attachments
Comments
7

Je näher man zur Spitze (d.h. zur technologischen Grenze) kommt, desto weniger greifen die bisher gesetzten Maßnahmen und die verwendeten Instrumente. Diese waren geeignet um aufzuschließen, versagen aber, wenn es darum geht zu überholen. Dieser empirisch gut abgesicherte Zusammenhang - dass wirtschaftspolitische Maßnahmen unterschiedliche Erträge in Abhängigkeit vom Entwicklungsniveau eines Landes bringen - schafft gerade für wirtschaftspolitische EntscheidungsträgerInnen eine schwierige Situation, stellt sich für sie doch die Frage, warum man das bestehende Instrumentarium aufgeben soll, wenn es doch im Großen und Ganzen funktioniert hat bzw. scheinbar noch funktioniert.

(1) - Original
Attachments
Comments
8

Erleichtert mag eine Neuorientierung vielleicht durch die zunehmende Konkurrenz aus der unmittelbaren Nachbarschaft oder durch den global zunehmenden Wettbewerbsdruck auch bei anspruchsvollen Produkten und Dienstleistungen werden. Diese Entwicklungen legen nahe, dass man sich weiterentwickeln, eigenständige und zunehmend radikale Innovationen entwickeln muss, damit man zu den GestalterInnen und nicht zu den Getriebenen gehört.

(1) - Original
Attachments
Comments

Notwendige Politikansätze für ein erfolgreiches Arbeiten an der technologischen Grenze

9

Je näher ein Land an der technologischen Grenze agiert, desto mehr Mittel muss es in Forschung und gut ausgebaute wissenschaftliche Infrastrukturen (vgl. Strategieelement Infrastruktur) investieren. Forschung unterstützt und verstärkt Innovation gerade bei Unternehmen die eigenständige Innovationsleistungen hervorbringen wollen. Die Rolle der öffentlichen Hand im Kontext der Finanzierung von (Grundlagen-)Forschung ist dabei zentral: in Österreich, wie auch in den meisten anderen OECD - Ländern, wird diese hauptsächlich durch öffentliche Mittel finanziert. Bei einer Fortschreibung der bisherigen Entwicklungstrends kommt es in Österreich jedoch zu einem deutlichen Bedeutungsverlust der (Grundlagen-)Forschung – eine Entwicklung die konträr zur den wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten verläuft (vgl. Strategieelement FTI-Mittel Input / Output).

(1) - Original
Attachments
Comments
10

Mit zunehmendem Entwicklungsstand gewinnt die tertiäre Ausbildung überproportional an Bedeutung. Mehr und besser ausgebildete Arbeitskräfte sind das Rückgrat einer Wirtschaft die zu den „Innovation Leaders“ aufschließen will. Hier geht es sowohl um die Kapazitäten im Bildungssystem als auch um die Entwicklung des Potentials der in Österreich lebenden Bevölkerung. Gerade in diesem Bereich – gemessen an ausgesprochen niedrigen Bevölkerungsanteil mit tertiären Abschlüssen – ist die österreichische Position und Entwicklung beunruhigend (vgl. Strategieelement Menschen).

(1) - Original
Attachments
Comments
11

Die Gestaltung des Wissenschafts- und Bildungssystems sind ja, wie man in Österreich ausreichend erfahren hat, hinreichend herausfordernde Prozesse. Eine Strategie, die den Anschluss an die „Innovation Leaders“ vorsieht, muss allerdings auch zu einer integrierten Planung und Entwicklung von Bildung, Forschung und Innovation kommen (triangle policies). Was wie eine geradezu verwegene Forderung aussieht, kann aber durchaus Momentum in einige festgefahrene Diskussionen bringen. Bei einer gemeinsamen Betrachtung dieser Politikfelder wird klar, dass es ohne mehr und besser ausgebildete Menschen keine wirklichen Fortschritte geben kann, und dass jene Beteiligten, die an der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, an neuen Arbeitsplätzen, an der Sicherung der Sozialsysteme und an der Lösung von gesellschaftlichen Problemen interessiert sind, kaum zu anderen Schlussfolgerungen kommen können. Bei einer Frontrunning-Strategie kommen noch andere Politikbereiche (Regulierung, makroökonomische Steuerung, öffentliche Beschaffung, Wettbewerbspolitik etc.) dazu, die ausgesprochen komplexe Management- und Steuerungsaufgaben verlangen (vgl. Strategieelemente Governance, Instrumente). Hier gilt es auch die Strategie- und Umsetzungskompetenz deutlich zu verbessern.

(1) - Original
Attachments
Comments
12

Die Unterstützung von Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen erfordert denn auch eine deutliche Erweiterung der eingesetzten Instrumente. Die bisherige Politikgestaltung erschöpfte sich zumeist in der Einführung von neuen Programmen, die noch dazu wenig aufeinander abgestimmt waren. Für ein effizienteres System gilt es im Förderbereich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Schwerpunkten und themenoffenen Programmen zu finden (vgl. Strategieelemente Schwerpunkte, Governance, Instrumente) und die horizontale Koordination mit anderen Politikbereichen herzustellen. Damit soll es möglich sein, holistische Maßnahmenbündel zu schnüren und die Programmfixierung aufzuheben. Jedoch darf dieser Politikansatz nicht auf Bundesebene halt machen; vielmehr sind auch die Verbindungen zur EU, den umliegenden Ländern und weniger entwickelten Ländern zu intensivieren (vgl. Strategieelement Internationales). Last but not least, ist auch die Abstimmung mit den Aktivitäten der Bundesländer wichtig.

(1) - Original
Attachments
Comments

Von effizienten Institutionen zu einem effizienten System

13

Österreich wusste lange Zeit nicht so Recht wie man mit den Themen Forschung, Technologie und Innovation (FTI) umgehen sollte. Die OECD hat Ende der 1960er Jahre in ihrer Länderprüfung festgehalten, dass neben einem unterentwickelten Forschungsbewusstsein, kaum ausgeprägter Koordinierung der FTI-Aktivitäten und dem Fehlen eines Forschungskonzepts ein eklatanter Mangel an Budgetmitteln für FTI zu identifizieren sei: 1970 betrug die heimische Forschungsquote 0,6% des BIP. Darauf folgte die Einrichtung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (BMWF) und die Gründung des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) und des Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft (FFF).

(1) - Original
Attachments
Comments
14

Die Fonds bildeten denn auch in den folgenden Jahrzehnten das Rückgrat der österreichischen Wissenschafts- und Technologieförderung. Ihr beinahe exklusiver Fokus auf ihr Kerngeschäft und die trotzdem auftauchenden neuen Herausforderungen führten jedoch zur Gründung weiterer Institutionen, nicht aber zu Steuer- und Koordinierungsstrukturen, die der zunehmenden Komplexität Rechnung getragen hätten. Die wiederholten Versuche Strategien zu entwickeln blieben denn auch Stückwerk - keines dieser Konzepte schaffte es in die Politiksphäre und damit in die Umsetzung.

(1) - Original
Attachments
Comments
15

Mit der Einsetzung des Rates für Forschung und Technologieentwicklung im Jahr 2000 wurde ein neues strategiepolitisches Gremium etabliert und die Bemühungen in Richtung langfristiger strategischer Überlegungen für das nationale FTI-System intensiviert. Die Hauptaufgabe des Rates liegt in der systematischen, unabhängigen und fundierten Beratung der österreichischen Bundesregierung in allen strategischen Fragen der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik. Ziel seiner Arbeit ist es, einen Beitrag zu einer zukunftsorientierten FTI-Politik zu leisten. Dieser Aufgabe ist er mit dem Nationalen Forschungs- und Innovationsplan (NAFIP) und der Strategie 2010 nachgekommen. Obwohl von letzterer rund ¾ der Vorschläge umgesetzt wurden, war dieser Prozess alles andere als „linear“, sodass noch einer Reihe von Aufgaben zur Verbesserung der Governance offen sind (vgl. Strategieelement Governance).

(1) - Original
Attachments
Comments
16

Die vorliegende Strategie 2020, die gerade abgeschlossene Systemevaluierung und der Forschungsdialog bilden eine ausreichende Grundlage für die Entwicklung von Strategien auf Ministeriumsebene. Damit dies auch passiert, ist jetzt politisches Leadership gefragt. Ohne dieses wird der Umsetzungsprozess erratisch bleiben und die Effekte suboptimal. Für halbherzige Lösungen geht es allerdings um zu wichtige Themen und um zu viel Geld, just zu einem Zeitpunkt, der keine Ambivalenz in diesen Fragen gestattet.

(1) - Original
Attachments
Comments

Die Vision

17

Forschung und Innovation sind die Voraussetzung, um in Zukunft technische, soziale und kulturelle Fortschritte zu erzielen, dadurch hochqualitative Arbeitsplätze zu schaffen und so den gesellschaftlichen Wohlstand zu sichern. Das Ziel, in die Gruppe der „Innovation Leaders“ aufzusteigen, ist also kein Selbstzweck, sondern dient der Erreichung gesellschaftlicher Ziele. In der Lissabon Strategie haben die europäischen Staats- und Regierungschefs festgehalten, dass Forschung und Innovation Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung in Europa sind: Forschung steigert nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes, sie sichert auch dessen Wohlstand und ermöglicht soziale Teilhabe.

(1) - Original
Attachments
Comments
18

Eine Politik, die sich lediglich auf FTI konzentriert, schöpft aber vorhandenes Potential nur unzureichend aus. Es geht um die gemeinsame Entwicklung der Bereiche Forschung, Innovation und (Aus-) Bildung, um die Entwicklungsmöglichkeiten der Volkswirtschaft zu verbessern. Im Dezember 2008 wurde auf EU-Ebene als Teil des Ljubljana-Prozesses die „Vision 2020 für den Europäischen Forschungsraum“ verabschiedet. Sie schlägt explizit vor, dass eine Modernisierung der Systeme im Bereich Forschung mit der Modernisierung der Bildungs - und Innovationssysteme einher gehen muss und fordert, auf allen Ebenen mit Unterstützung geeigneter europäischer Mechanismen eine starke Interaktion zwischen den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation ("Wissensdreieck“) zu fördern.

(1) - Original
Attachments
Comments
19

Vision 2020

Österreich stellt sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts Österreich ist eine erfolgreiche und international anerkannte Innovationsnation. Exzellente Forschung und radikale Innovationen sind die Basis für Österreichs führende Position. Ganzheitliches Denken und eine gelungene Kooperation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik bilden die Kernelemente einer neuen Kultur der Offenheit, Flexibilität und Kreativität. Das ist die Grundlage für die Schaffung neuen Wissens. Innovationsfördernde Rahmenbedingungen und Strukturen machen Forschung und Entwicklung in Österreich für in- und ausländische WissenschaftlerInnen sowie für Unternehmen attraktiv. Die effiziente Verwertung von Forschungsergebnissen ermöglicht einen nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt. Bildungs-, Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik sind die zentralen Politikfelder. Im Mittelpunkt dieser Politik steht der Mensch. Das macht Österreich zu einer dynamischen wissensbasierten Gesellschaft im globalen Wettbewerb.

(1) - Original
Attachments
Comments