Fehlt hier noch was?

Wenn man sich lange und intensiv mit einer Thematik beschäftigt, wird man irgendwann betriebsblind. Daher ist der Blick von Außen umso wichtiger. Von dort fällt einem mitunter ziemlich schnell auf, ob etwas Essentielles fehlt, das unbedingt noch eingearbeitet werden sollte. Insofern erhoffe ich mir, dass die Diskussion dazu beiträgt, die offenen Punkte der Strategie zu ergänzen.

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Johanna Rachinger says:

Wissenssicherung und -zugang : die Funktion von Bibliotheken

Die Produktion von neuem Wissen – gleichermaßen in der Grundlagenforschung wie in der angewandten Forschung – geschieht immer auf der Basis des bereits vorhandenen Wissens. Maßnahmen zur langfristigen Sicherung und optimalen Zugänglichkeit dieser bereits seit Generationen gesammelten Wissensbasis sollten daher logischer Bestandteil einer umfassenden Forschungsstrategie sein.

Hiezu gehören die aktuellen Themen Digitalisierung des kulturellen und wissenschaftlichen Erbes, die Schaffung großer internationaler Wissensportale (z.B. das Projekt EUROPEANA), wie auch die nachhaltige Archivierung des heute in vielen Fällen bereits nur noch elektronisch produzierten Wissens. Insbesondere die verbesserte Zugänglichkeit des wissenschaftlichen Outputs durch die Digitalisierung und die langfristige Archivierung der digital produzierten Forschungsergebnisse erhöhen einerseits die Sichtbarkeit dieser Ergebnisse und tragen anderseits auch zu deren Nachhaltigkeit bei. Der Aufbau von Private Public Partnership Modellen im Rahmen der Forschungsstrategie kann wiederum positiv auf die Wirtschaft rückwirken. Für die Bschäftigungspolitik stellen Investitionen in IKT-Forschungsprojekte eine direkte Maßnahme zur Belebung der Wirtschaft dar.

In der Bildungspolitik wiederum stellt IKT einen wesentlichen Erfolgsgarant dar, wenn der demokratische Zugang zu Information für alle BürgerInnen gewährt werden soll.

Von Seiten der EU gibt es diesbezüglich auch klare Erwartungen an die Mitgliedsstaaten, wie z.B. in der „Digital Libraries Initiative“ im Rahmen der i-2010-Strategie formuliert.

Aus Sicht der Österreichischen Nationalbibliothek wäre daher eine Ergänzung der Forschungsstrategie 2020 um die Bereiche Digitalisierung und Langzeitarchivierung von digitalem Content dringend zu empfehlen. Die entsprechenden Strategiepapiere der EU oder auch die sog. „Kulturerbestudie“ („Wissenschaftliches und kulturelles Erbe in Österreich“, Mai 2006, hrsg. im Auftrag des RFTE und des BMWK) wären dazu eine gute Ausgangsbasis.

Constanze Stock... says:

Antwort der Geschäftsstelle des Rates

Danke für diese wichtige Anregung. Digitalisierung und Langzeitarchivierung von digitalem Content sind im Themenfeld Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften subsumiert, das im Strategieelement Schwerpunkte eine wesentliche Position gegenüber anderen Themenkreisen einnimmt.
Im April 2008 wurden aus diesem Grund auch im Rahmen des Forschungsdialoges in Salzburg die Ergebnisse der Studie zur "Struktur der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften in Österreich" von Dr. Ulrike Kozeluh präsentiert. Diese ist unter http://www.rat-fte.at/view.mc?docid=93 downzuloaden.
Weiters gab es zu diesem Thema auch eine vergangene Empfehlung des Rates, die natürlich weiterhin ihre Gültigkeit hat und aus diesem Grund nicht wiederholt wird. Selbstverständlich wird ihre Umsetzung laufend vom Rat gemonitored und die dahingehende Erwähnung seitens der Nationalbibliothek trägt wesentlich dazu bei, ihre Notwendigkeit zu unterstreichen.

die unbequeme Stimme says:

Nicht zufrieden mit der Antwort.

Sorry, aber diese Antwort scheint mir doch sehr zu kurz zu greifen.

"Digitalisierung und Langzeitarchivierung von digitalem Content sind im Themenfeld Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften subsumiert,"

Mit dem gleichen Argument könnte ich auch sagen, daß man den Bereich Governance ins Fachgebiet Politikwissenschaften stecken kann und damit auch im Themenfeld Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften subsumiert ist.

Digitalisierung und Langzeitarchivierung bzw. noch allgemeiner Archivierung und Zugang zu Wissen betrifft ja nicht nur die GSK, sondern alle Disziplinen. In der Physik bespielsweise bei aufwendigen Versuchen oder Beobachtungen (Astrophysik!) große Datenmengen an, die sich teilweise nur schwer oder gar nicht reproduzieren lassen, und die auch für spätere Forschergenerationen verfügbar gehalten werden sollen.

Allgemeiner gehalten sind Bibilotheken, Archive, Datenbanken und der schnelle und effiziente Zugang zu Wissen wichtig für alle Disziplinen!

Wolfgang Eppens... says:

Systematische Einbindung des Europäischen Forschungsraums

Das Kapitel "Internationalisierung" widmet sich zwar auch dem Thema intraeuropäische Kooperation allerdings eher lückenhaft auf einige Bereiche fokussiert (etwa ERA-Net)
Hier und da wird etwa auf die "Vision 2010" oder viel zu kurz auf ESFRI verwiesen. Allerdings fehlt mir eine systematische Abstimmung mit europäischen Strategiedokumenten.

Ich vermisse in der Strategie insbesondere folgende europäische Teilbereiche der Politikentwicklungen im Europäischen Forschungsraum:

- Partnerschaft für Forscher bzw. die Humanressourcenpolitik:
EURAXESS, ERA-Link, und die jeweilig notwendigen Maßnahmen bzw. die Abstimmung mit der nationalen Strategie.

- Wie schon von jemand anderen angesprochen, im Bereich Dialog Wissenschaft-Gesellschaft gibt es auch einige europäische Initiativen.

Wolfgang Eppens... says:

Zugang zu Wissen, Wissensdatenbanken, IP

Im Bereich Open Access gehört Österreich nicht gerade zu den Ländern, die sich federführend in diesem Bereich engagieren (einzig den FWF kann man hier lobend erwähnen). Anders formuliert, es besteht noch großes Potential; die Strategie sollte aufrufen, dieses Potential auch auszuschöpfen:

- Beitrag zur Stärkung der Wissenschaft allgemein (Die allgemeine Forschungstätigkeit wird immer wieder dadurch behindert, daß man Arbeiten anderer WissenschafterInnen braucht, die in einer Zeitschrift veröffentlicht werden, zu der man keinen Zugang hat)
- Effizienterer Einsatz von Steuergeldern (statt ungerechfertigt hohe Beträge an Verlage zu zahlen, kann direkt in die Forschung investiert werden)
- Beitrag zu mehr Fairness und Verteilungsgerechtigkeit auch in der Wissenschaft (Entwicklungspolitischer Anspekt)

Auch finde ich wenig Referenzen zum Themenkomplex Publikationswesen, Wissensdatenbanken aber auch Patente und IP

EF says:

Research for Development - "Entwicklungsforschung"

Der englische Begriff "research for development" ist ein weit gefasster Begriff; er beinhaltet Forschung über Entwicklung (vor allem sozialwissenschaftliche Ansätze ensprechend den Development Studies), Forschung für Entwicklung (überwiegend, aber nicht ausschließlich naturwissenschaftliche und technische Disziplinen im Zusammenhang mit Entwicklung), sowie Development Policy Research. Mehr dazu: http://www.oefse.at/Downloads/publikationen/WP_Entwicklungsforschung.pdf

Wenn auch Entwicklungsforschung in diesem weit gefassten Sinn in Österreich ein Nischendasein führt, so wird die Forschungsstrategie dieser Thematik nicht gerecht, wenn nur - quasi als Appendix versteckt - unter "SL 21 Strategische Leitlinie: Nachbarschaftspolitik stärken" einige Einzel-Empfehlungen zu Kooperation mit "ausgewählten außereuropäischen Drittstaaten" formuliert werden.
Der Thematik Entwicklungsforschung, Wissenschaftskooperation mit Entwicklungsländern soll im Rahmen des Kapitels "Internationalisierung" ein eigener Abschnitt gewidmet sein, in dem auch die Kohärenzfrage (Widerspruch zwischen der Stärkung des Forschungsstandorts Österreichs wie z.B. gezielte Anwerbung (269) und entwicklungspolitischen Herausforderungen und Verpflichtungen) systematisch angegangen wird. Es sind doch verschiedenste Institutionen und Ressorts damit befasst.
Das Kapitel "Internationalisierung" würde auch durch eine bessere Verknüpfung zu den thematischen Forschungsschwerpunkten und den "großen gesellschaftlichen Herausforderungen" (Punkt 2), die ja globale Herausforderungen sind (Klimawandel, Bevölkerungswandel - Migration, Armutsminderung, Ernährungssicherung, Zugang zu Wasser- und Energieversorgung) an Substanz gewinnen. Gerade in diesen Bereichen ist Innovation gefragt.

Rainer Hasenauer's picture
Rainer Hasenauer says:

Markt für technologische Innovationen

Grundsätzlich erscheint mir die Marktsicht auf allen Ebenen viel zu kurz zu kommen.
Nachfrage nach technologischen Innovationen stossen die Forschung an, angebotene technologische Innovationen tragen zur Bildung von neuen Märkten bei ("Innovation on a purpose for a purpose"). Es geht dabei nicht um "Konsumgütermarketing" sondern um Wachstumsimpulse, generiert durch die Ergebnisse der Grundlagen-, der verfahrensorientieren und der experimentellen Anwendungsforschung.

Das Marktparadigma durchdringt - ob man will oder nicht - wegen der Knappheit der verfügbaren Problemlösungen auch die Forschungsdiemnsion.

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johannes gadner says:

Kommt die Marktsicht zu kurz?

Es ist interessant, dass Sie diesen Aspekt einbringen, lese ich doch vor allem bei den Kommentaren zum Kapitel "Agenda" eine genau gegenteilige Reaktion heraus. Es wird dort kritisiert, dass die Strategie zu marktlastig, anwendungsorientiert und technologiebezogen sei. Es wäre toll, wenn Sie sich und Ihre Interpretation dort noch in die Diskussion einbringen könnten! Diesbezüglich läuft auch gerade eine Umfrage unter http://www.forschungsstrategie.at/de/Umfrage.

Rainer Hasenauer's picture
Rainer Hasenauer says:

Marktsicht

In Ergänzung zu meinem Beitrag in "Was fehlt?" habe ich in fast allen meiner Kommentare implizit oder explizit die Marktsicht vertreten. z.B. Agenda 1 , etc.... oft als Antwort auf einen Kommentar, manchmal als selbständigen Kommentar.

Rene says:

Neue Strategie und Lehren aus der bisherigen Arbeit ..

Wenn wir in wissenschaftlich-technischer Hinsicht uns weiter verbessern wollen, ist es wichtig, zu erkennen, was bislang ganz oder teilweise misslang.
Die Defizite der Strukturen im Verwaltungs- und Förderungs-Bereich sind bekannt - viele ältere Studien und nun die neue Systemevaluierung legen Mängel offen.

Doch auch zum Rat selbst liegt ja so eine kritische Würdigung mit dem Bericht des Rechnungshofes ( RH2007/16 ) vor. Farin fanden die Prüfer unter anderem : inkorrekte Zusammensetzung
des Rates, Handlungen auserhalb des gesetzlichen Rahmens und entgegen festgelegten Verpflichtungen ( so die Finanzierung von Vorhaben ohne die erforderlichen Budget- und Finanzpläne ), vor allem aber, dass die Vergabeempfehlungen für Sonderbudgets ab 2003 nicht auf der Basis von qualitativen Kriterien erfolgten, sondern dass diese Mittel auf der Basis eines fixen 'Verteilungsschlüssels' an die drei Ressorts erfolgten ( ! ).

Es wäre ganz wunderbar, wenn eine vom Rat vorgelegte neue Strategie dazu eine Anmerkung machen könnte ( 'wir haben
aus einigen Mängeln gelernt, wir sind der Auffassung, dass nunmehr, etc. etc.' ).

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Knut Consemüller says:

Antwort auf den Kommentar von "Rene"

Die öffentliche Auseinandersetzung mit Grundsatzdokumenten bringt auch immer Meinungsäußerungen wie jene von Herrn oder Frau „Rene“ hervor, die eine kritische Würdigung verdienen. Es darf vorausgeschickt werden, dass die Zusammensetzung des Rates hier nicht diskutiert wird, da die Frage der Bestellung und Zusammensetzung des Rates ausschließlich in der Verantwortung der nominierenden Regierungsmitglieder liegt. Ebenso wird festgestellt, dass die Handlungen des Rates stets innerhalb seines gesetzlichen Auftrags (FTFG§17.) erfolgt ist.

Die angeführten Defizite und Mängel in den Verwaltungsstrukturen des FTI Systems sind auch dem Rat bekannt, hier wird im Kapitel „Governance“ eine priorisierte Auswahl von Empfehlungen formuliert, die aus der Analyse der Systemevaluierung ableitbar ist.

Die fixen Verteilungsschlüssel zwischen den Ressorts (40/40/20) ab dem Jahr 2004 wurden auch vom Rat regelmäßig kritisiert, dabei darf aber nicht übersehen werden, dass darauf folgend in den Ressorts sehr wohl qualitative Kriterien an die Vergabe angelegt wurden. Bis heute hält der Rat diesen von den Ressorts selbst zuerkannten Verteilungsschlüssel für nicht zielführend.

Zuletzt stellen wir fest, dass jede Institution - so auch der Rat selbst - sich weiterentwickeln muss. Wichtig ist aber nicht, darüber zu reden, sondern es zu tun. Sie sitzen vor dem Beweis der erstmaligen öffentlichen Diskussionsplattform für einen Strategieentwurf! Und wir sind interessiert an Ihren Kommentaren, Stellungnahmen und Bewertungen.

Exzellenz says:

lebenslanges lernen

die thematik des lebenslangen lernens kommt praktisch überhaupt nicht vor. das halte ich - und einige andere diesbezügliche kommentrae habe ich auch gelesen - für ein schweres versäumnis. es bräuchte zumindest einen hinweis darauf, dass dieses thema wichtig ist und auch in zukunft an bedeutung gewinnen wird.

RobertHurtado says:

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aha says:

Wettbewerbspolitik und Innovation

Die Gestaltung des Wettbewerbsrechts und die Durchsetzung dieses Rechts hat einen Einfluss auf die Innovationstätigkeit von Unternehmen. Durch FuE wird Wissen erzeugt, was mit positiven externen Effekten verbunden ist (Wissensspillovers). Diese Wissensspillovers kann man durch 3 Massnahmen entweder fördern oder beschränken (beides kann Sinn ergeben): 1) FuE Subventionen; 2) Massnahmen zum Schutz geistigen Eigentums (IPR); 3) Förderung von Forschungskooperationen. Der Einsatz dieser Massnahmen wird durch wettbewerbsrechtliche Regelungen und deren Durchsetzung durch die Wettbewerbsbehörden mitbestimmt.